Leseprobe: Kaden: Weibergarn
Der Kampf gegen den "Scheißma"
Bei Hedwig hatte es zwischen Weihnachten
und Neujahr die alljährliche Katastrophe gegeben, der "Ma"
war so groß gewachsen, daß Vater und Söhne gegen
ihn antreten mußten. Dieser Feind, der fast jeden Winter
die Bewohner vieler Erzgebirgshäuser zum Kampf forderte,
erschien durch folgende Umstände. An den kleinen Häusern
befand sich an der Giebelseite ein Anbau, in dem sich das gewisse
Örtchen, also der Abort, befand. Ein einfacher Holzkasten,
der nach unten offen war, hing dort. In seinem Inneren befand
sich ein Holzsitz mit einer runden Öffnung. Setzten sich
die Benutzer mit ihrem Allerwertesten dort nieder, befanden sie
sich direkt über dem Misthaufen. Damit kam das, was sie fallen
ließen, gleich an die richtige Stelle.
Leider führte große Kälte häufig dazu, daß
sich die Entleerungen nicht in die Breite, sondern Tag für
Tag mehr in die Höhe stapelten. Bis es schließlich
so weit war, daß die Säule, oder der "Scheißma",
wie das Gebilde auch genannt wurde, die Sitzgelegenheit erreichte.
Trat dieser Zustand ein, dann mußte mit geballter Kraft
gegen das steinhart gefrorene Ungetüm vorgegangen werden.
Der Ma mußte weg, damit unter dem Sitz wieder Platz wurde
für neue Geschäfte. Die kräftigsten Familienmitglieder
gingen ans Werk. Mit Hacken und Beilen bewaffnet, begann der Kampf.
Stück für Stück wurde abgetragen, was zu hoch gewachsen
war. Manchmal tat auch ein kräftiger Strick gute Dienste,
man befestigte ihn um
die Mitte des Mas, die Männer legten sich in die Sielen,
zogen und stemmten, bis er umfiel. Nun war wieder Platz geschaffen
für die nächsten Wochen, und wenn man Glück hatte,
blieb es in diesem Winter bei einer einmaligen siegreichen Schlacht
gegen das Übel.
Es war überhaupt ein Grauen, wenn man bei großer Kälte
des nachts aus dem warmen Bett in den zugigen Anbau mußte,
um seine Notdurft zu verrichten. Allerdings wußte man sich,
wenn es gar zu ungemütlich wurde, zu helfen. Ein alter Eimer
mit einem Holzdeckel darauf diente in solchen Fällen der
Familie als Nachtgeschirr. Am Morgen wurde der dann direkt auf
den Mithaufen entleert.
Komfortabel und hygienisch einwandfrei waren sie nicht, die Toilettenanlagen
der alten Erzgebirgshäuser.
Badezimmer war ein Begriff, den unsere Klöpplerinnen vielleicht
einmal gehört hatten, was er jedoch beinhaltete, blieb ihnen
verborgen. Sie schleppten am Wochenende eimerweise Wasser, füllten
den großen Waschkessel und legten etliche Scheite Stockwurzel
in dessen Feuerloch. Wenn das Wasser heiß war, schaffte
man die große Wäschewanne oder, wer sie besaß,
die Zinkwanne von der Firma Krauß aus Schwarzenberg in die
Küche, füllte das warme Wasser hinein, und dann begann
die Badezeremonie.
Vorher spannten die Frauen eine Leine quer durch die Küche,
daran befestigten sie Decken und errichteten somit eine spanische
Wand.
Nun stiegen zuerst die Kinder, dann nacheinander die Erwachsenen
in die Wanne. Wenn das Wasser abkühlte, kam immer wieder
mal ein Eimer heißes Wasser hinzu. Mit einem großen
Stück Kernseife wusch die Mutter ihre Sprößlinge
von Kopf bis Fuß ab, spülte mit einem Topf voll warmem
Wasser nach, und damit war dem Sauberkeitsbedürfnis für
die nächsten Tage genüge getan.
Die Woche über sollten sich die Kinder in einer Waschschüssel
Hände und Gesicht und im Sommer die vom Barfußgehen
eingestaubten Füße waschen. Ob das aber immer geschah,
wer wollte das kontrollieren. -