Leseprobe: Kaden, Schramm

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Seinen Lebensunterhalt verdient er anfangs hauptsächlich mit damals sehr beliebten "Heimatabenden". Nach dem fürchterlichen Krieg suchen die Menschen, gefangen in Sorgen und Nöten, Zerstreuung und Ablenkung vom schweren Alltag. Deshalb boomen, ähnlich wie schon nach dem Ersten Weltkrieg in den "Goldenen Zwanzigern", allerlei
Varietéprogramme, folkloristische und kulturelle Darbietungen. Die "Goldenen Fünfziger" werfen schon den einen oder anderen Schatten voraus. Arthur Schramm nutzt die Sehnsucht der Leute nach ein paar Stunden des Abschaltens vom bitteren Alltag und organisiert auch selbst diese sogenannten Heimatabende. Ob diese Kulturveranstaltungen von der Besatzungs-macht gefördert werden, ist nicht bekannt, sicher ist aber, daß sie nicht unerwünscht sind, zumal alles im Rahmen des Kulturbundes stattfindet.
Im September 1946 begeht die Bergstadt Annaberg ihre 450-Jahrfeier. Zum Programm der Festwoche gehört auch ein Heimatabend im Stadttheater. Neben Liedern von Anton Günther, Richard Wagner, Alfred Kaden, neben Gedichten von Max Wenzel und Geschichten vom Erzgebirgschronisten Magister Lehmann darf auch Arthur Schramm mitwirken.
Im Juli 1947 begegnet uns der profilierte Heimatdichter bei der "50-Jahr-Jubiläumsfeier des Pöhlbergturmes". Er scheint einige Schritte weiter gekommen zu sein, denn während er 1946 noch als einer unter vielen Mitwirkenden genannt ist, ziert nun ein Gedicht - sein "Pöhlbarg-lied" - das kleine Programm-Faltblatt.
Arthur Schramm rührt emsig die Werbetrommel für sich und seine kulturellen Darbietungen. Was liegt näher, als auch dort zu werben, wo man schon seit Jahrzehnten Kontakte pflegt - in Leipzig.
Aber wen ansprechen? Wer hat schon Geld oder noch besser Nahrungsmittel, mit denen er die Schrammschen Leistungen angemessen honorieren kann? Aber auch hier versagt der Einfallsreichtum des poetisierenden Kaufmanns nicht. Er schreibt im April 1948 an den Kreisausschuß der Volkssolidarität Leipzig:
"Ich beziehe mich auf unsere...persönlich getroffene, feste Abmachung...für den kommenden 15. April 1948...‚vor den Heimkehrern', und sende Ihnen vor unserem Kommen ‚wunschgemäß' heute noch die von mir mit viel Liebe und mit großer Sorgfalt zusammengestellte Vortragsfolge unseres dortigen Wirkens. - Ich bin fest davon überzeugt, daß wir mit unseren vielseitigen Darbietungen den lieben Heimkehrern große Freude spenden werden, resp. in's Herz sprechen und singen können. - - Das Programm...ist so reichhaltig und wunderbar abwechselnd, daß ich es bestimmt für durchaus angebracht erachte, daß es der Leipziger Rundfunk übernimmt..."
Die Zeit bis in die fünfziger Jahre hinein verläuft ziemlich erfolgversprechend für den Heimatdichter, denn bei vielen größeren Veranstaltungen taucht der Name Arthur Schramm neben bekannten Heimatgruppen und Sängern auf. Das Beispiel der 50-Jahrfeier des Pöhlberg-turmes im Juli 1947 wurde schon genannt. Daß sich das "Pöhlberglied" von Arthur Schramm sogar auf dem Programmzettel findet, ist schon beachtenswert, denn alles, was in jenen Jahren öffentlich gemacht werden soll, bedarf der Genehmigung durch Dienststellen der Besatzungsmacht, unterliegt der Zensur. Dieser Abdruck ist der Beweis, daß die Reimereien des kleinen Dichters während der vergangenen 15 Jahre zumindest für den Moment vergessen sind. Daß noch keine neuen festen Strukturen im Kulturbereich gewachsen sind, beweist die Tatsache, daß FDJ-Jugendchor und Kirchenchor von Annaberg unter Leitung des Kirchen-musikdirektors Franz Neumann gemeinsam auftreten. Interessant ist auch - besonders mit Blick auf die rund zehn Jahre später eröffneten öffentlichen Angriffe auf den Heimatdichter - die Veranstaltung, die am Sonnabend, dem 12. Juli 1947 im Rahmen dieses Programms stattfindet: "21.00 Uh: Aufführung des Erzgebirgstanzes nach dem Pöhlberglied von Arthur Schramm durch den Jugendchor der Freien Deutschen Jugend von Annaberg"